Sonntag, 18.01.2015 - Levadawanderung mit Lina
Heute ist erst einmal gammeln angesagt. Nachdem wir jetzt doch schon ein wenig von der Insel gesehen haben, stehen wir noch etwas später auf als ohnehin schon, frühstücken, nehmen dann, weil es inzwischen angenehm warm geworden ist sogar noch einen letzten Kaffee auf der Außenterrasse des Speiseraums ein und machen es uns anschließend in den Liegestühlen am Hotelpool gemütlich. Nachdem unsere geschundenen Körper etwas regeneriert haben, begeben wir uns an die Poolbar und genehmigen uns noch zwei erfrischende Drinks. Dann überlegen wir mal, was man heute noch so machen könnte.
Weil der Tag schon recht weit fortgeschritten ist, meint Lina, wir könnten doch eigentlich einmal eine Levada ablaufen. Sie wüsste eine, die in der Nähe des Hotels vorbeiführt, da müssten wir auch keine großen Klimmzüge machen, um dorthin zu kommen. Weil die Levadas ein sehr prägendes Element Madeiras sind und man sich ohne Levadawanderung zuhause ja schon fast nicht mehr blicken lassen kann, stimmen Angelika und Michael diesem Vorschlag zu. Damit der geneigte Leser, der sich mit dieser Insel vielleicht noch nicht so intensiv auseinander gesetzt hat einen Eindruck bekommt, was es mit diesen Levadas auf sich hat, schiebt Michael einen
kurzen Exkurs ein, um dies zu erläutern.
Michael hatte ja an dem Tag als wir mit dem Bus über die zentrale Gebirgskette fuhren bereits angedeutet, dass die Niederschläge zwischen der Süd- und der Nordseite der Insel sehr ungleich verteilt sind. Die in erdgeschichtlich sehr kurzen Zeiträumen auf einer bereits stark reliefierten Geländeoberfläche ausgeworfenen vulkanischen Produkte wie Lavadecken, Tuffe und Aschen sind lokal begrenzt und weisen sehr unterschiedliche Porenvolumen und damit Wasserleitvermögen auf, also verfügt die Insel zwar über eine ganze Reihe lokaler Grundwasservorkommen, ein ausgedehnter Grundwasserleiter, wie man ihn vom Festland kennt fehlt jedoch. Gleichzeitig bieten die etwas flacher abfallenden und sonnenverwöhnten Südhänge bessere Anbaubedingungen und deshalb stellte man bereits im 15. Jahrhundert Überlegungen an, wie man diese lokalen Wasserspeicher anzapfen und das Wasser dorthin bringen könnte wo es gebraucht wurde. Die Lösung dieses Problems lieferten dann die zunächst noch mit Holzbohlen, später mit künstlichen Baumaterialien erstellten, hufeisen- oder u-förmig ausgestalteten Wasserläufe, die Levadas. Über die Jahrhunderte wurde eine Vielzahl solcher Levadas erbaut, die nun wie Wasserautobahnen weite Teile der Insel überziehen. Infolge ihrer geringen Baubreite und der trotz ständiger Pflege und Erneuerung durch üppiges Pflanzenwachstum und den Zahn der Zeit ausgebildeten Patina, fügen sich die Levadas harmonisch in die Landschaft ein.
Weil die Levadas überwiegend hangparallel und mit geringem Gefälle verlaufen, bilden sie häufig auch für älteres Publikum und selbst für Fußkranke eine ideale Möglichkeit ohne übertriebene Anstrengungen die reizvolle Landschaft genießen zu können. Das hat sich über die Jahre herumgesprochen und so sind ältere Wanderer, neudeutsch und werbewirksam auch als Best Ager, Silver Ager oder Third Ager bezeichnet, deutlich überrepräsentiert. Nach Michaels sicherlich unbedeutender Einzelmeinung, ist das von der Werbung suggerierte beste Alter rein körperlich da längst überschritten, Lina natürlich ausgenommen, versteht sich. Das Beste an diesem Alter ist jetzt, dass sich der Geldbeutel dieser Leute jeden Monat mehr oder minder stark füllt, ohne dass sie dafür
weiter arbeiten müssten, und genau auf diesen Umstand zielen die Werbetreibenden ja schließlich auch ab.
Davon abgesehen scheint die Vorstellung, ein Inselaufenthalt biete sich nur für Rentner an sicherlich nicht gerechtfertigt. Zum einen konnten wir entlang der ausgedehnten Küste immer wieder junge Leute bei diversen sportlichen Aktivitäten beobachten, darüber hinaus soll es zumindest in Funchal auch so etwas wie Nachtleben geben, wenngleich wir von diesem nicht aus eigener Anschauung berichten können.
Auch bezüglich der Levadas sollte man sich nicht täuschen. Hier gibt es sehr unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, weil diese mitunter auch mal durch Tunnel führen oder Steilstufen eingeschaltet sind, die der Wanderer dann über entsprechende Anstiege überwinden muss. Deshalb und weil ja auch nicht alle Wanderer mit dem Auto unterwegs sein können oder wollen und somit auf Busse oder Gruppenreisen angewiesen sind, bedarf es bei Levadawanderungen einer vorrausschauenden Planung.
Das gilt aber nicht heute und es gilt nicht für uns, weil wir ja Lina haben, die wieder einmal (fast) alles im Griff hat. Also machen wir uns um die Mittagszeit stadtfein und nehmen Kurs auf die Levada dos Piornais.
Von unserer Unterkunft aus laufen wir ca. 200 m die Rua dos Estados da America hinunter, schlagen einen Haken nach rechts und schon haben wir die Levada dos Piornais erreicht, die hier oberhalb der küstennahen Hotelregion von Funchal sichelförmig um den Pico da Cruz nach Westen führt. Das Wasser fließt gemächlich innerhalb eines U-förmig gestalteten Troges dessen etwa 40 cm breite südliche Einfassung den Wanderern als Laufweg und die etwas schmälere, nördliche Einfassung zusammen mit einer darüber einsetzenden Stützmauer der Hangabsicherung dient.
Nicht immer ist die Levada als offenes Gewässer ausgeführt, manchmal hat man die Fließstrecke auch mit Betonplatten abgedeckt. Ob das vor Verdunstung schützen soll oder welche Bewandtnis das hat, wissen wir nicht. Jedenfalls wird die Lauffläche des Wanderers hierdurch vergrößert und man muss seine Füße weniger sortieren. Levadawanderungen erfordern immer eine größere Aufmerksamkeit als ganz normale Wanderwege. Denn die Mauerstärken der Laufstege können sich ändern, aus einem Steg werden auch einmal zwei, Abdeckplatten können angebrochen sein oder fehlen, außerdem ist mit Gegenverkehr durch Wanderer zu rechnen und weil die hangabwärtige Seite oft keine Sicherungen, wie Mauern oder Geländer aufweist und das Gelände unterhalb der Levada mitunter deutlich tiefer liegt kann ein Sturz recht schmerhafte Folgen haben. Deshalb wird jenen, die das regelmäßig machen auch empfohlen immer eine Taschenlampe und eine Trillerpfeife mitzuführen um ggf. auf sich
aufmerksam machen zu können.mitzuführen um ggf. auf sich aufmerksam machen zu können.
Unser Weg verläuft heute fast eben, hier von Gefälle zu sprechen wäre vermessen. Das künstliche Gewässer ist anfangs noch zwischen bereits bebauten Grundstücken oberhalb der Mauer und unbebauten Grundstücken unterhalb der Levada eingezwängt. Die unbebauten Areale sind teils sich selbst überlassen und machen einen etwas ungepflegten Eindruck. Andere Grundstücke sind teils landwirtschaftlich genutzt aber auch nicht gerade eine Augenweide, das bessert sich aber mit fortlaufender Strecke etwas.
Die Stützmauern sind in der Regel aus Natursteinen gefertigt, ältere Abschnitte verputzt, wobei der Putz oft bröckelt, so dass der Naturstein längst wieder zutage tritt. Stellenweise wird das Mauerwerk auch komplett vom üppig sprießenden Grün überwuchert. Bei Abschnitten mit neuerem Mauerwerk ist man offensichtlich bemüht der rein stützenden Funktion des Bauwerks eine künstlerische hinzuzufügen. So hat man die Fugenbereiche zwischen den groben Bruchsteinen mit kleinteiligen, teils andersfarbigen Bruchsteinen mosaikähnlich ausgekleidet und auf diese Weise eine ansprechende, für den Spaziergänger recht abwechslungsreiche Note hinzugefügt. Diese sicherlich recht aufwändige Gestaltung sorgt dafür, dass sich das Auge des Wanderers jahrzehntelang hieran erfreuen kann, sehr löblich.
An einem wolkenarmen Tag wie heute, heizt die Sonne die Kombination aus Levadatrog und angrenzender Stützmauer an dem nach Süden ausgerichteten Hang ordentlich auf. Unsere Wanderstrecke ist deshalb wärmer als die 19 Grad, die uns der Wetterbericht verhieß und so werden bald die Ärmel hochgekrempelt. Immer wieder treffen wir auf kleine Eidechsen, die geschickt zwischen den großen Fugen der Bruchsteine jonglieren und auf dem warmen Gestein die für ihr Wohlbefinden notwendige Wärme tanken.
Irgendwo im Niemandsland läuft die Stützmauer aus und der Hang öffnet sich nach oben in Richtung eines schön anzuschauenden, kleinen Kakteenwaldes. Vereinzelte Privatanwesen unterhalb der Levada gewähren sicherlich nicht ganz freiwillig, aufgrund der Hanglage aber unvermeidlich Einblicke in ihre hübsch angelegten Gärten. Mit der fruchtbaren vulkanischen Erde, dem perfekten Klima und dem Levadawasser gedeiht hier fast alles. Dann streift die Levada mehrere kleine Bananenplantagen, deren Stauden bis an unseren Laufweg heranreichen. Wieder etwas später treffen wir auf Kakteensolitäre, hochgewachsene Exemplare der Amerikanische Agave und kleinere Ansammlungen der Aloe africana mit herrlich rotorange leuchtenden Blüten. Dazu die gute Fernsicht auf die Ausläufer Funchals und das Meer, einfach herrlich.
Die Levada taucht schließlich unter die Avenida do Amparo ab und auf der gegenüberliegenden Seite etwas versetzt wieder auf. Die Bebauung geht westlich der Avenida do Amparo deutlich zurück, das Gelände nimmt ursprünglichere Formen an. Kurze Zeit geht es durch buschhohe, üppig sprießende Vegetation. Braun und weiß gebänderte Aschelagen treten zutage und lassen den vulkanischen Ursprung dieses Eilandes erkennen. Wo die Vegetation den Blick ins Tal freigibt, sieht man nun landwirtschaftlich intensiv genutzte, terrassierte Parzellen. Schließlich verschwindet die Levada für einige Zeit im Untergrund und wir bewegen uns entlang eines scheinbar ganz normalen Wanderweges. Dann taucht sie wieder auf und begleitet uns durch ein kleines Schilfwäldchen dessen Schattenwurf wir angesichts der mittäglichen Wärme und der Länge unserer Wanderung als sehr angenehm empfinden. Auf Höhe der Travessa do Papagaio Verde stellt sich schließlich das Gefühl ein alles irgendwie schon einmal gesehen zu haben und wir beschließen den Rückweg anzutreten.
Im Netz hatte Michael Berichte gelesen, wonach es auf der Levada dos Piornais gelegentlich zu Überfällen gekommen sein soll. Die Ganoven vermutete man in einer Sozialsiedlung in der Oberstadt. Ganoven haben wir heute zum Glück keine getroffen, das wäre vermutlich auch weniger lustig gewesen als Michaels schnöder Ton vermuten lässt. Vielleicht war das aber auch am Sonntag nicht zu erwarten, die waren bestimmt am Samstag beichten und sind heute in der Messe, um ihr Gewissen zu reinigen, damit sie in der kommenden Woche wieder unbelastet aktiv werden können.
Zurück an der Avenida do Amparo geht es hinauf in die Oberstadt, wo wir hoffen ein kleines Kaffee oder Restaurant zu finden. Aber am Sonntag ist das schwierig und vielleicht haben wir auch den falschen Weg eingeschlagen, jedenfalls finden wir nichts Ansprechendes und erreichen unser Hotel per Pedes und recht durstig am späten Nachmittag. Dass danach nur noch die Füße hochgelegt werden ist ja wohl klar.
Montag, 19.01.2015 - Erste Tagesfahrt mit dem PKW in Madeiras Zentrum
Eigentlich haben wir jetzt erst Halbzeit und doch bricht bereits die Woche an, in der wir uns wieder von der schönen Insel verabschieden müssen. Also wollen wir heute unbedingt einen etwas ausgedehnteren Ausflug in Richtung Westen unternehmen.
Auf unserem Weg in die Stadt sind wir in den letzten Tagen immer wieder an einer ganzen Reihe von kleinen Kiosken vorbeigekommen, an denen lokale Reiseveranstalter Tagesausflüge zu unterschiedlichsten Zielen auf der ganzen Insel anbieten. Also machen wir uns nach dem Frühstück auf den Weg, um das Angebot einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Leider sind wir wieder einmal etwas spät dran und so ist für heute zumindest der Zug abgefahren. Michael ist allerdings keineswegs bereit sich in sein Schicksal zu fügen. Also werden die Damen dazu verdonnert mit hinunter in die Stadt zu laufen und eine Autovermietung zu suchen.
Wir hoffen entlang des Hotelkomplexes westlich des Stadtzentrums fündig zu werden, haben aber zunächst keinen Erfolg und befürchten wieder einmal in die Irre gelaufen zu sein, doch dann tauchen gleich zwei Vermieter auf, wer sagts denn.
Da das Personal zunächst mit der vor uns eingetroffenen Kundschaft beschäftigt ist, können wir uns schon einmal an den Werbetafel über die Preise informieren. So richtig schlau sind wir allerdings noch nicht als die Reihe an uns ist. Aber zum Glück spricht man englisch, und so wird man sich schnell handelseinig. Für einen VW Up! möchte man inkl. Vollkaskoversicherung 40 € pro Tag haben, da sagen wir nicht nein und so mieten wir das Fahrzeug gleich für 2 Tage mit einer Option auf einen weiteren.
Schon halten wir den Schlüssel in Händen, werden vom Personal zum Stellplatz geführt, entledigen uns allen Gepäcks und besteigen erleichtert unser knallrotes Gefährt. Obwohl der Wagen schon einige km auf dem Buckel hat, macht er einen neuwertigen und sauberen Eindruck und fährt sich auch tadellos, wenngleich Michael in dem engen Parkhaus ein wenig rangieren muss, um aus der Parklücke zu kommen.
Schon nach kurzer Fahrt ist Michael hellauf begeistert von den Möglichkeiten, die sich nun bieten. Wo immer sich ein grandioser Ausblick eröffnet, und das ist wegen den Steillagen gar nicht so selten der Fall, kann Mann nun anhalten, den Foto herausholen und alles ablichten, was ihm gefällt. Das größte Problem sind wieder einmal die beiden Bedenkenträgerinnen, die allseitig Gefahren durch fehlende Geländer, den fließenden Verkehr und ggf. mürrische Ordnungshüter wittern. Aber darauf kann angesichts der wenigen verbleibenden Tage nun keine Rücksicht mehr genommen werden. Wer weiß denn schon, ob man die vielen interessanten Punkte überhaupt noch mal sieht. Also setzt sich Michael über alle Bedenken hinweg und gebärdet sich mit dem Foto wie ein rasender Reporter.
Unser erstes Ziel ist das Städtchen Camara de Lobos (Höhle der Mönchsrobben), das wir nach nicht einmal 8 Kilometern Fahrt erreichen. Wir orientieren uns direkt Richtung Hafen, weil Angelika diesen als lohnendes Ziel ausgemacht hat. Unmittelbar oberhalb des Hafens befindet sich ein kostenpflichtiger Parkplatz, der noch genügend freie Stellplätze aufweist. So ist es nur ein Katzensprung bis zur örtlichen Fischereiflotte, bestehend aus etwa 30 kleinen bis mittelgroßen Fischerbooten. Die Boote liegen hier auf steinigem Grund gewissermaßen im Trockendock und verleihen dem Ort als bunte Farbtupfer ein malerisches Bild. Winston Churchill weilte einst hier und war so beeindruckt, dass er den Ort auf einer Leinwand verewigte. Malen konnte der also auch? Nun ja, wir haben das Bild nicht zu Gesicht bekommen.
Der kiesig-steinige Strand mündet auf der Ostseite in eine etwa 10 m hohe Felswand an der die Bebauung fasst bis an die Wasserlinie heranreicht. Diese Wand markiert die reguläre, in Richtung Funchal fortlaufende Küstenlinie. Auch westlich der Gerölllagen ist Fels ausgebildet, der sich hier jedoch nur als feiner Sporn in Richtung Meer fortsetzt und nach etwa 150 Metern Wegstrecke in den blaugrünen Fluten des Atlantiks ertrinkt. Entlang dieser westlichen Felswand hat man die Straße beinahe bis ans Ende der natursteinernen Hafeneinfassung geführt, so dass man von hier aus gut die ein- und ausfahrenden Boote beobachten oder angeln oder sich in der verbliebenen Felsspitze ein Plätzchen sichern kann, um aufs Meer hinauszuschauen.
Von den Fischern ist weit und breit nichts zu sehen. Entweder ist keine Fangsaison oder sie sind bereits in der Nacht draußen gewesen, haben am frühen Morgen den Fang angelandet und genießen nun ihren wohlverdienten Schlaf. Wir bewegen uns über etwas unruhigem Untergrund zwischen den Booten entlang. Bei so mancher Nussschale kann man kaum glauben, dass sich damit jemand aufs Meer hinaus wagt. Auf einem der größeren Boote hat man Stockfisch auf langen Stangen zum Trocknen aufgehängt. Michael staunt, dass sich die Möwen, die doch sonst vor nichts zurückschrecken hieran nicht schadlos halten. Vielleicht ist es der hohe Salzgehalt dieser Fischlappen, der dem Einhalt gebietet. Sicher aber wissen die Fischer was geht und was nicht geht, zerrupft oder angeknabbert sehen die Fladen jedenfalls nicht aus.
Natürlich haben sich im Umfeld des Hafens auch einige Souvenirläden und kleinere Restaurants angesiedelt, die auch jetzt schon auf Kundschaft warten. Doch die hält sich heute in Grenzen und macht sich noch rar, man hat ja gerade erst gefrühstückt. Mögen die Gastronomen klagen, wir empfinden die überschaubare Besucherzahl und die damit verbundene, entspannte Atmosphäre als ausgesprochen angenehm und können einen Besuch des Städtchens nur wärmstens empfehlen. Nach einer guten Stunde Flanierens machen wir uns dann auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, dem Miradouro Cabo Girão (Kap der Umkehr).
Bis zum Cabo Girão sind es erneut weniger als 10 km, allerdings gelangen wir nicht auf direktem Wege dorthin. Ein sich von Camara de Lobos in nordwestliche Richtung ins Landesinnere erstreckender Talkessel, zwingt uns oder genauer gesagt unseren kleinen roten Flitzer dessen nordwestliche Bergflanke zu erklimmen, bevor die Straße etwa einen Kilometer vor dem Kap einen scharfen Haken nach Süden schlägt und endgültig unserem nächsten Ziel zusteuert. Entlang dieses Bergsträßchens hat man immer wieder herrliche Ausblicke auf die terrassierten Felder unten im Kessel, so dass wir einige Male unsere Fahrt unterbrechen um die Aussicht zu genießen.
Cabo Girão ist eine etwa 580 m hohe und etwa 20 km westlich von Funchal gelegene Steilklippe. Kaum zu glauben, aber der Eintritt ist sogar frei. Der Aussichtspunkt ist heute gut besucht aber noch nicht überlaufen, trotzdem haben wir etwas Mühe einen geeigneten Parkplatz zu finden. Über einen hübsch angelegten, ebenen Fußweg kommt man ganz gemütlich bis zum Klippenrand. Anders mag das allerdings aussehen, wenn während der Hauptsaison zwei oder drei Reisebusse ihre menschliche Fracht entlassen. Der Ausblick muss früher schon grandios gewesen sein. Weil dem verwöhnten Publikum aber immer etwas Neues geboten werden muss, hat man inzwischen einen sogenannten Skywalk, eine aus Stahl gefertigte Aussichtsplattform mit gläsernem Boden errichtet. Stand man früher am Klippenrand, so ist man heute einige Schritte weiter und steht unmittelbar über dem fast 600 m tiefen Abgrund. Das Bauwerk trifft nicht jedermanns Geschmack, Michael findet jedoch, man hat es geschafft die künstliche Konstruktion einigermaßen harmonisch in die Natur einzupassen. Was den Kick angeht, braucht man sich nur die vielen, über den gläsernen Untergrund schleichenden und dabei aufgeregt schnatternden Gestalten anzusehen, dann weiß man, dass das Ziel gänzlich erreicht wurde. Leider ist der Himmel heute etwas diesig, wir hätten in der Nacht einen richtigen Regenschauer gebraucht, um die Luft zu reinigen, dann hätten wir jetzt bis Funchal schauen können. Angesichts der milden, lauwarmen Seeluft und der strahlenden Sonne sind solche Klagen allerdings schon recht unverschämt.
Von dem etwa 2 bis 3 km östlich des Cabo Girão gelegenen Rancho aus führt auch von einer etwas tiefergelegenen Klippe aus eine Bauernseilbahn (Teleferico do Rancho) zu den tief unten liegenden, terrassierten Feldern, denen übrigens auch ein schöner Strand vorgelagert ist. Ein Restaurant an der Seilbahnstation bietet traditionelle Fleisch- und Fischgerichte, darunter auch Espada, den schwarzen Degenfisch an. Doch dem steht wieder einmal unser abendliches Buffet im Wege, außerdem wollen wir noch weiter nach Westen und so lassen wir die Drahtseilbahn bis zu unserem nächsten Besuch links liegen und brechen zu neuen Ufern auf.
Unser Weg führt nun in das kleine Städtchen Ribeira Brava. Mangels Navigationsgerät und weil die Topographie ein direktes Ansteuern ohnehin selten zulässt, fahren wir reichlich Schleifen, aber das ist uns heute sowas von egal, denn bei der stets guten Aussicht wird der Weg zum Ziel und das jeweilige Etappenziel kommt als Sahnehäubchen oben drauf. Zwischendurch werden wir dann doch einmal kurz auf die Ringmagistrale Madeiras gezwungen aber noch deutlich vor Ribeira Brava verlassen wir diese schon wieder in Richtung Küstenstraße auf den Caminho da Pedra. Bevor dieser uns, von Westen kommend über einige Serpentinen zum Städtchen hinuntergeleiten kann, führt eine Sackgasse hoch über der Stadt entlang der Felsabbruchkante noch einige hundert Meter nach Süden. Von hier aus hat man eine schöne Aussicht auf das Städtchen und das Meer und kann ferner in dem nach Süden abfallenden Felsvorsprung ein wenig herumkraxeln. Das ist den Damen allerdings etwas zu anstrengend und birgt natürlich auch wieder einmal Gefahren, denen Frau sich nicht aussetzen möchte. Vom Aussichtspunkt reicht diesen ein kurzer Blick in die Ferne und dann möchte man bitte schön Abwechslung. Und wenn Frau sich langweilt hat Mann nun mal keine Ruhe. Also geht es hinunter nach Ribeira Brava.
Das Örtchen zwängt sich über etwa zwei Kilometer Länge in ein enges Tal, im Westen begrenzt von einem kleinen Flüsschen, das es aber bei stärkeren Niederschlägen im Gebirge offensichtlich in sich hat. Denn anstelle einer schönen Uferpromenade flankieren, wie übrigens häufig auf Madeira zu beobachten, beidseitig hohe Betonmauern das Gewässer und verleihen diesem eher das unschöne Aussehen eines Kanals. Doch damit lebt man hier gerne, wenn man die Stadt in Sicherheit weiß.
Auch heute, gewissermaßen bei Normalabfluss, führt das Gewässer reichlich Sedimentfracht mit sich und der hierdurch verursachte Trübestrom traktiert die schön anzuschauenden, blaugrünen Fluten des Atlantiks noch eine ganze Weile mit dem garstigen Braun der Berge. Durch die östlich der Stadt anstehende, nur wenige Zehnermeter breite Klippe hat man übrigens einen Tunnel gegraben auf dessen gegenüberliegender Seite sich ein winziger Hafen anschließt.
Das Städtchen selbst hat eine schöne Kirche, ein kleines Einkaufzentrum, liebevoll gestaltete Plätze und Vorgärten, die unvermeidlichen Restaurants, zum Strand hin eine palmengesäumte Uferpromenade und den bereits erwähnten schönen Ausblick von der Klippe östlich des Stadtzentrums. Der Strand wird, wie so oft wieder einmal von groben Geröllen, die der Fluss aus den Bergen hierher transportiert hat aufgebaut und lädt nicht
gerade zum Baden ein. Trotzdem gibt es immer einige, die sich auch davon nicht abhalten lassen und sich in die kalten Fluten stürzen. Lange vermag das Städtchen uns nicht in seinen Bann zu ziehen und so brechen wir auf nach Ponta Do Sol einem weiteren kleinen Küstenörtchen.
Ponta Do Sol ist für Michaels Geschmack etwas zu sehr zersiedelt, der eigentliche Ortskern ist deshalb sehr klein. Das ist wohl ein Domizil für Leute, die die Stille und Abgeschiedenheit über alles lieben, aber so etwas soll es ja auch geben.
Die Küstenlinie reduziert sich auf einige weniger Hotels. Immerhin sind deren Fassaden und der dazugehörige, vorgelagerte Straßenzug recht hübsch anzuschauen. Auch hier säumen wieder Palmen das Straßenbild. Der allerdings sehr klein geratene Ortskern ist kaum auskömmlich für die Ansiedlung von Geschäften und weil die Hotels vermutlich über eine eigene Küche verfügen ist auch die Anzahl an Restaurants überschaubar. Ein Kleinod gibt es aber doch! Auf einem vorgelagerten Felsen thront das Restaurante do Cais, ein kleines Kaffeerestaurant, dessen Terrasse unmittelbar über dem Fels und unweit der Wogen des Atlantiks einen unvergleichlichen Ausblick auf das Meer und den Ort gewährt. Über eine aus Bruchsteinen geformte Rampe ist dieses fußläufig zu erreichen. Nur haben wir wieder einmal das ganz große Los gezogen, das Restaurant ist nämlich ausgerechnet heute geschlossen. Das wurmt uns doch einigermaßen und so beschließen wir an einem der verbleibenden Tage noch einmal hier vorbeizuschauen. Da ausgerechnet Lina ein Loch in der Magengegend verortet hat, suchen wir ein in Strandnähe gelegenes Restaurant auf und lassen es uns gut gehen. Der von Lina in einem Anflug von Übermut bestellte Fleischspieß bringt sie allerdings rasch an die Grenze ihrer Möglichkeiten.
Nach dem Essen geht es von Ponta Do Sol die wenigen Kilometer zurück nach Ribeira Brava, und von dort auf die VE3, die hier dem Fluss nach Norden folgt. Noch vor dem Pass müssen wir uns bei Serra de Agua entscheiden entweder unten im Tal den bequemen Weg über einen kerzengeraden, langgezogenen und natürlich stinklangweiligen Tunnel zu nehmen oder auf den Regionalstraßen ER 228 und ER 110 mühsam den Hang zu erklimmen. Selbstverständlich nehmen wir den beschwerlicheren Weg, wir wollen schließlich etwas sehen. Mühsam schraubt sich unser kleines Wägelchen, angesichts der ihm auferlegten Lasten auf der engen Straße in immer größere Höhen, während sich der Himmel, wie schon bei unserer ersten Überquerung des zentralen Gebirgskammes wieder sein graues Gewand anlegt. Immerhin bleibt uns ein in gleisendes Sonnenlicht getauchter, diesiger Blick zur Küste erhalten. Außerdem ist die Wolkendecke dünn und weist Fenster auf, durch die das Sonnenlicht wie mit einem Spotstrahler das tief eingeschnittene Tal ins rechte Licht rückt. Ein Regenbogen signalisiert uns, dass irgendwo vorn im Tal ein leichter Schauer abgehen muss. Die ER 228 erreicht die Passhöhe bereits in etwa 1.000 m Höhe, führt über die ER 110 weiter in der Ortschaft Vargem und erreicht dort wieder die gut ausgebaute VE4.
Dann rollt das Wägelchen wieder beschwingt der Nordküste entgegen und wir erreichen São Vicente. Anders als bei unserer Fahrt nach Santana gewinnt der Himmel heute nicht mehr sein strahlendes Blau zurück. Zwar zieht die Wolkendecke zunächst nicht komplett zu, doch entwickeln sich zunehmend tiefer hängende Grauschleier, die die Luft stark befeuchten, so dass man das Gefühl hat, es könne jeden Moment anfangen zu regnen. Da wir die Insel morgen weiter in westliche Richtung erkunden wollen, schlagen wir einen Haken nach Osten in Richtung Ponta Delgada, das wir nach wenigen Kilometern Strecke bereits erreichen.
An dem einen oder anderen Aussichtspunkt halten wir an, um ein wenig spazieren zu gehen und Fotos zu machen, entfernen uns aber nie sehr weit von unserem roten Flitzer, weil wir unbeschirmt sind und ungern gebadet werden möchten. Die nachlassende Kraft der Sonne und die voranschreitende Wolkenbildung engen den Blick dann immer mehr ein, wir haben noch einen weiten Heimweg, für heute genug gesehen und so eilen wir zunächst durch einen Ost-West Tunnel zurück nach São Vicente und nehmen dort den auf dem Hinweg noch verschmähten Nord-Süd-Tunnel um noch oberhalb von Ribeira Brava schließlich wieder die Küstenmagistrale nach Funchal zu erreichen. Wie man sieht kann man sich auf Madeira entscheiden entweder im Blindflug über zahlreiche Tunnels schnell an einen Ort seiner Wahl zu kommen oder über die landschaftlich reizvolleren Bergstrecken gemütlich die Vorzüge der Landschaft zu genießen.