Der Spreewald im Jahr 1990

Vergangenheit und Gegenwart einer Kultur­landschaft

 

Samstag­vormittag, es herrscht ein re­ges Trei­ben auf dem Vor­platz des Fähr­hafens von Lüb­be­nau, dem tou­ristische Zentrum des Spree­walds. Der nahegelegene Parkplatz ist längst ge­füllt, ebenso die Ma­xim­-Gorki-Straße, unerlaub­ter­weise. Glaubt man den Kenn­zei­chen der Fahr­zeuge, die sich auf den kopfsteingepfla­sterten Straßen und den Bürgersteigen des et­was trist anmu­ten­den Städtchens Platz ver­schaf­fen, so sind etwa sechzig Pro­zent der Besucher aus West-Berlin und der Bundesrepublik an­gereist. Daraus zu schließen, es herrsche un­er­träg­liche Enge im Hafen, wäre falsch; der Ort bietet vie­len Be­su­chern Platz, nur die vielen Park­plä­tze des Individualver­kehrs bietet er nicht.

 

Im sozia­li­stischen Alltag er­­reich­te das Gros der Gäste den Ort mittels Bus, das ist nun vorbei! Ein großes Gartenlokal auf der ei­nen und Im­bissbuden auf der ande­ren Seite hüllen das Publi­kum in allerlei Wohl­gerüche. Aber auch hier prallen die westli­chen Erwar­tun­gen auf (noch) so­zia­listische Realität; die ange­bo­tenen Speisen er­in­nern an Großkü­chen­ver­pflegung, auch das blecherne Besteck wird manch ei­nen schmun­zeln lassen, doch das Be­mü­hen, den steigen­den Anforderungen ge­recht zu werden, ist erkennbar.

Der Spreewald, ca. 85 km südlich Berlin Mitte und 25 km wesltlich Cottbus gelegen (Quelle: openstreetmap, Lizenz CC-BY-SA 2.0).
Der Spreewald, ca. 85 km südlich Berlin Mitte und 25 km wesltlich Cottbus gelegen (Quelle: openstreetmap, Lizenz CC-BY-SA 2.0).

Lübbenau im Spätsommer 1990. Nach Kom­munalwahl und Ein­füh­rung der D‑Mark ver­sucht man Tritt zu fassen, will kom­mende Herausforderungen of­fen­siv ange­hen, zu er­wartende Tou­ri­sten­strö­me frühzeitig ka­nali­sieren.

 

Die in Mitteleuropa einmalige Landschaft soll auch in Zukunft ein Stück jener Ur­wüchsig­keit bewah­ren, die erste Ge­stalt an­nahm, als die Schmelzwässer des In­landeises der Weichsel­kaltzeit versieg­ten und die Spree in das verwai­ste Ba­ruther Ur­stromtal Einlass fand. Zu jener Zeit entstand eine breite Aue in der sich die Spree und ih­re Hauptneben­arme Malxe und Berste zu einer Vielzahl von Fluss­armen, auch Fließe genannt, verzweigten. Dieses Fließe­netz bildete die Basis für jene in jahr­hunderte­langem Ringen zwischen Natur und Mensch ent­standene Kultur­landschaft, die wir heute als Spree­wald kennen.

 

Nach der Völker­wanderung sied­lungs­leer, besiedelten im 6. und 7. Jahr­hun­dert slawische Stämme den Raum. Um die Jahr­tausend­wende setzte die deut­sche Ostko­lonisati­on ein, die Slawen wur­den größtenteils zurück­gedrängt oder assimiliert. Den Sorben ge­lang es jedoch ihre kulturelle Identität zu bewahren. Lange Zeit als Menschen zweiter Klas­se an­gese­hen, brachte die Re­for­ma­tion end­lich ein Mehr an Mit­ein­ander. Nun konnte sich auch die sorbi­sche Schrift­spra­che ent­wic­keln, eine Auf­gabe, der sich beson­ders die Pre­di­ger der Spreewald­gemein­den an­nah­men. Anfang des 18. Jahrhunderts ließ Fried­rich Wil­helm der I. von Preu­ßen das Gebiet um Burg, eine preußische En­klave, besie­deln. In größe­rem Um­fang wie­derholte sich dies 1765 unter Fried­rich dem II. Angesiedelt wurden bevorzugt alt­ge­dien­te oder verwundete Sol­daten, da­neben aber auch Aus­länder aus Sach­sen und dem nie­der­ländischen Raum. Das be­son­dere hierbei war, dass diese Leu­te, eigentlich deutsch­spra­chig, sor­bisches Volks­tum und Sprache an­nahmen, die sorbische Kultur sich also zum wie­derhol­ten Male als sehr gefestigt erwies. Mit zunehmender Besiedlungs­dichte ka­m­en zu den natürlich ent­standenen Fluß­­armen nun auch künst­lich an­ge­leg­te Ka­näle, welche die einzelnen Ge­höf­te mit­einander verbanden. So er­hielt der Spree­wald allmählich sein heu­tiges Aus­sehen.

 

Helmut Jentsch, pädagogischer Mit­ar­bei­ter in der Station Junger Tou­ri­sten, einer Ein­richtung der Volksbildung, außer­dem Leiter des Biologischen Arbeitskrei­ses Lübbenau und Kreiswegemeister, findet neben seinen vielfälti­gen Aufgaben auch noch Zeit, sich mit der hi­storischen Entwicklung seiner Heimat zu be­schäfti­gen. "Es ist immer wieder inter­essant, die alten Karten zu studieren", sagt er. "Eine Karte von Lüb­benau, aus dem Jahre 1780 zeigt bei­spielswei­se, daß die mei­sten heutigen Straßen damals Was­ser­straßen wa­ren. Alle Güter, selbst das Vieh, mußten also per Kahn transportiert werden." Auch der ganze Burger Raum war nur über die Fließe erreich­bar. Erst um die Jahrhun­dert­wen­de begann man hier, die Ge­höfte durch Wege miteinander zu verbinden.

 

Cha­rak­teristisch für den Spreewald ist der Anbau von Gemüse. Zwi­schen dem 15. und 18. Jahrhundert entwic­kelte er sich zu einem immer wichtigeren Wirt­schaftszweig. Ursäch­lich hier­für war wohl, dass Gemüse über die Jahrhunderte hinweg immer relativ viel ein­brachte und zudem das feucht­warme Klima den Anbau be­günstigte. Die müh­sam der Na­tur abgerungenen Äcker mußten in­tensiv ge­nutzt werden, so ge­sellten sich zu den Zwie­beln die Gurken und schließlich der Meer­rettich.

 

Auch Kahnfahrten haben eine lange Tradi­tion. Sie finden im Spreewald schon seit mehr als hundert Jahren statt. Reisende, die den Wunsch äußer­ten, durch die Fließe gestaakt zu werden, ga­ben erste Impulse. Die Einrichtung der Eisenbahn­strecke Berlin-Görlitz lockte wei­te­re Besucher an. Anfangs fuhr man mit 2 Personen, das steigerte sich dann auf Vier-, Acht- und Zwölf­personen­kähne. Heutzutage faßt ein solches Gefährt annä­hernd 40 Per­sonen. Damit dürfte aber auch eine obere Grenze er­reicht sein, denn die Öff­nung nach Westen und ein wachsen­der Wohlstand lassen einen Trend zu mehr Individualismus er­kennen. Man ordert Kähne, um die ver­schiedensten Fe­ste zu fei­ern, das beginnt mit der Geburts­tags- und en­det mit der Hochzeitsfeier.

 

Fährmann Günther Blamick, von Beruf Agrar­ingenieur, steht seit dem vierzehn­ten Lebensjahr am Rudel - so nennt man das mehr als drei Me­ter lange Holzpad­del mit dem die Kähne durch die Fließe ge­staakt werden. Während er den mit mehr als 30 Perso­nen bela­denen Kahn strom­aufwärts in den Spreewald hinein bewegt, erzählt er mancher­lei Anekdote, mischt Legenden mit hi­sto­risch überliefertem, Witziges mit Zweideuti­gem. Diese Mi­schung kommt an, lockt vor­wit­zige Gäste aus der Re­serve. Eini­ge versu­chen mit spötteln­den Bemer­kungen den Fährmann auf die Schippe zu neh­men, doch der kon­tert ge­schickt, scheint mit allen Wassern gewa­schen. Selbstverständlich gibt es auch bei den Fähr­leu­ten ganz unter­schiedli­che Cha­raktere, im all­ge­meinen sitzt ihnen jedoch die Zunge ziem­lich locker. Günther Blamick sagt, es sei in­zwi­schen schwieriger geworden, den richtigen Ton zu treffen. "Vor der Wende hatten wir über­wie­gend Tagestourismus, es kamen zahl­reiche Brigaden", da­mit meint er Be­triebsabteilun­gen", die Leute kannten sich unter­ein­ander, mußten nicht erst warm werden, son­dern brach­ten die gute Laune gleich mit auf den Kahn. Jetzt kom­men viel mehr Ein­zelrei­sende, es gibt Ta­ge, da redest du dem Einen zu­viel, dem Anderen zu wenig, dem Dritten gefallen deine Späße nicht. Es erfordert schon einiges Ge­schick, das richtige Maß zu fin­den". In die gleiche Kerbe schlägt auch Sieg­fried Witt, einer der treue­sten Gä­ste im Fähr­hafen von Lübbenau. Seit 11 Jah­ren Rent­ner, macht er fast täglich ein bis zwei Touren, kennt jedes  Vo­gel­nest, jeden umge­fallenen Baum. "Heutzutage mußt du den Leuten schon fast gewaltsam den Mund öffnen, die grüßen sich ja kaum­ mehr." Diesem Ziel verpflich­tet, be­tätigt er sich denn auch als in­offizieller Reise­führer." Am Va­ter­tag", sagt er,"is hier der Teu­fel los, da gehn se regelmäßig mit eini­ge Kähne baden." Die Gäste sind dann mehr oder weniger al­koholi­siert und spritzen sich ge­genseitig mit Spree­wasser voll. Viele ver­su­chen den un­freiwilli­gen Duschen auszu­wei­chen, zuc­ken zu­rück und ge­ben dem Ge­fährt die erforderli­che Schräg­lage, um die ganze Mannschaft über Bord gehen zu las­sen."Und des schön­ste is ja, wenn se abje­sof­fen sind, weesde wo die hinter­herschwimmen - hinter de lee­ren Bierfla­schen her, da lach­ste der kaputt, wenn de das Bild siehst, ihre Klamot­ten, an das denken se nich, aber die leeren Bierfla­schen, die wol­len se retten.

 

Dass sol­che Be­triebsunfälle glimpflich ausgehen, da­für sorgt zum ei­nen die ge­ringe Tiefe der Spree, von meist nur 1 bis 1,50 Meter, zum ande­ren die Genossen­schaft der Kahn­fährleute. Der Mann, der hier die Fäden in der Hand hält, ist Reinhard Krü­ger, 46 Jahre alt und Vorsitzen­der der Kahn­fähr­mannsge­nos­sen­schaft. Diese kon­stituierte sich durch den Zusammen­schluß der pri­vaten Fähr­männer und Fähr­frauen Lübbenaus im Jahre 1954. Die Genossenschaft koordiniert die In­ter­es­sen der Mitglieder, nimmt zentral die Bu­chungen an, die dann zusammen mit den Ta­gesfahrten nach einem be­stimm­ten Schema an die Fährleute ver­teilt werden. Wer Fährmann werden möchte, muß wenig­stens 18 Jahre alt sein oder eine einjährige Bewäh­rungs­zeit hinter sich ge­bracht haben. Ist dies er­füllt, so kann der Be­werber die Prüfung, welche einen schriftli­chen und einen prakti­schen Teil umfaßt, ablegen. An­schlie­ßend wird er in die Genos­senschaft aufge­nommen. Die wenigsten betrieben das Ge­werbe un­ter so­zialistischer Ko­man­dowirtschaft hauptbe­ruflich. Viele arbeiteten im Win­ter als Heizer in den Braunkohle­kraft­werken oder im Schichtdienst bei der Reichs­bahn. Rentner staak­ten die zahl­rei­chen Fahrgäste - immer­hin eine halbe Million pro Jahr allein in Lüb­benau, in ih­rer Freizeit durch den Spreewald. Die "Wende" brachte den einge­spielten Wechsel zwischen Haupt- und Nebentä­tigkeit durchein­an­der. Viele Betriebe weigern sich, Saison­arbei­ter unter den zukünf­tig verän­der­ten Bedingungen wei­ter zu be­schäftigen. So gilt es für man­chen Fährmann nun Farbe zu bekennen. Entweder er bemüht sich um eine Fest­anstel­lung in der Industrie oder er stellt sich ganz in den Dienst des Tourismus. Beides scheint mit erheblichen Ri­siken ver­bun­den. Die Braun­kohle, weil nie­mand weiß, ob und wann für diesen Umweltver­schmutzer Nummer Eins das Aus kommt, der Touris­mus, weil sich nur schwer abschätzen läßt, zu wel­chem Zeit­punkt der Aderlaß, den die Grenz­öff­nung mit sich brachte, vollstän­dig durch westli­che Touristen aus­geglichen werden kann.

 

In Puncto Umweltverschmutzung hat der Spreewald weniger leiden müssen als andere Regionen in der DDR. Probleme bereiteten hier im­mer wieder die Staub- und Schwe­fel­dioxi­demissionen der Kraft­werke in Lüb­benau und Vetschau."Natürlich hat auch das Flußwas­ser nicht mehr die Qualität wie in den fünf­ziger Jah­ren", sagt Rein­hard Krüger", immerhin hal­ten sich die meisten Süß­wasser­fischar­ten, sind auch noch mit Appetit zu essen." Dabei ist ihm durch­aus be­wußt, daß dies, streng wissen­schaftlich, wenig aussagt. Aus Lübbenauer Sicht werden die dringlich­sten Aufgaben darin be­stehen, möglichst alle Versor­gungs­betriebe im Spreewald an das Ka­nalisati­onsnetz an­zubin­den, die Emissio­nen der Kraft­werke herun­terzuschrauben und die Überdün­gung der Böden im land­wirt­schaft­lich struktu­rierten Umfeld auf ein erträgliches Maß zu re­duzieren.

 

Den Fährleuten wiederum brennt der Zu­stand der Fließe unter den Nägeln. Sie for­dern denn auch die Wiedereinfüh­rung der Wasserschutzpolizei; inzwi­schen eine be­schlossene Sache bei den Verant­wortlichen. "Die Motorkähne richten hier, be­sonders in ab­gelegenen Arealen, wie im Hoch­wald etwa, ei­nen recht großen Schaden an, das weniger durch den Lärm als vielmehr durch die Aus­spü­lung der Ufer", meint Günther Bla­mick. "Früher mußte man davon ausgehen, dass die Aus­spü­lung durch die zahlreichen Hochwas­ser verur­sacht wurden, heute mit Schleu­sen, Wehren, Stau­becken sowie Süd- und Nord­umflu­ter kann man doch viel Was­ser ab­lei­ten und so sind die Uferschäden eindeutig den Motorkähnen anzu­la­sten. Schädigend wirkt die von Motor­kähnen, we­gen deren höherer Ge­schwindigkeit, er­zeugte Bug­welle. Sie spült die Sande aus und legt so die Wurzeln der Bäume frei. Flach wurzelnde Erlen und schnell wach­sende Pappeln ver­lie­ren als er­ste den Halt und bil­den eine ständi­ge Gefahr für die Besucher. Zudem verlanden die Fließe ra­scher und müssen mit viel Ar­beits­aufwand wieder frei­gelegt wer­den.

 

Der Biologische Arbeitskreis sorgt sich um den Erhalt der ein­heimi­schen Vogel­welt. Hochspan­nungslei­tungen und ste­hende Iso­latoren ge­fähr­den vor allem Graureiher, Kraniche und Stör­che. Noch gibt es etwa 25 Storchen­paare im Spree­waldgebiet, doch die Ent­wicklung sta­gniert. Letz­tes Jahr im September kam es in Raders­dorf, einem Ort  am Nord­rand des Spreewalds, zu einem schlimmen Unfall bei dem 41 Störche durch Erdschluß den Tod fanden. Dieser Vorfall durfte zunächst nicht in der Pres­se erscheinen, ist aber inzwischen öffent­lich be­kannt. Die Vogelschützer ver­wenden viel Mü­he darauf, Un­fälle an den Freilei­tun­gen zu re­duzie­ren. Es gibt Ver­einbarun­gen wonach zukünftig überall dort, wo sich Stör­che auf­halten, Zu­satz­einrichtungen an den Masten an­gebracht werden sollen, um ei­nen Erd­schluß zu vermeiden. Erfreulich ist für Helmut Jentsch, daß Kra­niche in den letzten Jah­ren zuneh­mend die Flachwas­ser­berei­che der re­kultivierten Braunkoh­legru­ben als Schlaf­platz anneh­men, aber auch hier gibt es viel Ar­beit. Die Vogel­schützer ha­ben alle Hände voll zu tun Angler, Jäger und Erholungs­suchende fern­zuhal­ten.

 

Neben diesen "Altlasten" bringt die Öff­nung der Grenze auch neue, bis­her fast unbekannte Her­ausforde­rungen. So hat sich der anfallende Müll na­hezu ver­dop­pelt, Einwegfla­schen verschandeln die Fließe und bedro­hen das vorbildliche Pfand­flaschen­system der DDR, auch die Entsor­gung von Wohn­mobilen war lange Zeit kein Thema. Noch wäre es übertrie­ben von Blech­lawinen zu reden, die jedes Wochenende, be­sonders aus dem Ber­liner Raum, auf die Kleinstadt Lübbenau ein­stürmen. Doch schon jetzt hat die Polizei Mühe, mit der Un­kenntnis aber auch Dreistigkeit man­cher west­licher Autofah­rer fertig zu wer­den. Für die neu gewählte Kommunal­vertre­tung heißt es, zügig, doch nicht überstürzt die Aufgaben an­zugehen, Konzepte für die künf­ti­ge Gestal­tung des Fremdenver­kehrs zu entwickeln, bevor die Massen den Spreewald für sich entdecken. Dass diese Landschaft auf lange Sicht scha­ren­weise die Besucher anlocken wird, daran kann ei­gent­lich niemand zweifeln.

 

Zwar ha­ben die Kahnfahrten den Ruf  der Re­gi­on be­gründet, doch das Freizeit­an­gebot ist weit umfang­reicher. Es empfiehlt sich beispielsweise, ein Pad­del­boot zu mieten und in Rich­tung Hoch­wald aufzubre­chen, denn mit dem Kahn gelangt man gegen­wärtig kaum noch in diesen wohl schönsten Teil des Spree­walds; die Leute bringen einfach nicht ausrei­chend Zeit und Geduld für eine 8-stündige Tour mit. Schon jenseits der Gaststätte Wot­schofska ist man gewöhnlich alleine. Bringt man dann noch die etwas monoto­ne Strecke des Wehr­kanals hinter sich, so ge­langt man in die ge­schlossenen Erlen- und Erlen-Eschen-Wäl­der. Neben einer arten­reichen Vogel­welt kann man mit etwas Glück Wildschweine, Ringel­nat­tern und selbst Fischotter beob­achten. Niemand muß sich sorgen, er könne sich wo­möglich in dem Fließelaby­rinth verir­ren. Helmut Jentsch und seine Mitarbei­ter haben mehrere Wasserwander­wege markiert. Petra Ringel vom Bootshaus Kau­pen emp­fiehlt jedoch einen Pick­nickkorb mit­zuneh­men. Für Kur­z­entschlossene plant sie in naher Zu­kunft ei­nen Imbiß zu er­öffnen. Neben den Wasserwanderwegen wurden auch drei Lehrpfade ein­gerichtet, die vor allem über Flora und Fauna der Region in­formie­ren.

 

Wer hingegen an der historischen Ent­wick­lung dieses Raumes inte­ressiert ist, der wird sich im Spreewaldmuseum Lübbenau ei­nen raschen Überblick ver­schaf­fen können. Den westlichen Gast mag befremden, dass so man­chem Satz auf den Schautafeln noch immer der Stallgeruch der alten Ideologie anhängt, doch die Dar­stellung ge­schichtlicher Zu­sam­menhänge wird wohl auch in Zu­kunft um­stritten bleiben. Den Saisonhöhepunkt bildeten auch in die­sem Jahr wieder, trotz des reduzier­ten Pro­gramms, die Spreewaldfestspiele. Im Arbeiter- und Bauernstaat fand im Rah­men dieses Festivals im Lübbenauer Kahn­fährhafen stets eine Art Leistungs­schau der ein­heimischen Betriebe statt. Bäcker, Fleischer, Gärtner, Feuerwehr alle stat­teten einen der Kähne festlich aus, fuhren durch die Fließe und warfen den Gästen Bre­zeln, Würste, Gurken und dergleichen mehr zu. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich auch sor­bische Bräuche, wie das Stoppelreiten oder das Hahnrupfen. Frauen konnten an der Wahl der Froschkö­nigin teilnehmen. Dabei galt es, einen Karren, auf dem ein Frosch saß, über eine bestimmte Weg­strecke möglichst rasch ins Ziel zu brin­gen. Ge­fahren werden durfte jedoch nur, so­lange der Frosch saß. Sprang er, von den Er­schütterungen verängstigt, ab, so hatte ihn die Teilnehmerin stets aufs neue auf den Karren zu setzen - eine Gaudi, wie man sich leicht vorstellen kann. Im SED-Staat öffenlich gefördert, wird sich nun erweisen müssen, in welchem Umfang die Ein­heimischen tatsächlich hinter diesem Volksfest stehen. Die Verantwortlichen stimmen jedenfalls darin überein, daß den Leuten nichts verord­net wer­den soll - der Umfang zukünftiger Fe­ste wird mehr als bisher vom Engagement der Bevölke­rung abhängen.