Azrou

Azrou, Hochtäler, Berberaffen

Do., 08.11.2018, Azrou, 142 km

Da wir heute keine große Tour geplant haben, wird das ein entspannter Tag. Und die Entspannung fängt schon früh an, denn wir haben einfach keine Lust aufzustehen. Nach mehreren gegenseitigen Ermahnungen schaffen wir dann doch den Absprung, machen uns stadtfein und bewegen uns in Richtung des kleinen Stadtzentrums. Dort gibt es genügend Cafés, sodass wir heute eigentlich etwas Neues ausprobieren könnten. Aber im Café Bilal waren gestern das Essen und die Aussicht gut und es ist ohnehin unser letzter Tag, also gibt es keine Experimente.

Wie erwartet, fällt unser Frühstück reichlich aus. Unser Blick geht nach draußen, wo sich über der gepflegten großen Moschee ein strahlend blauer Himmel aufbaut. Beim Blick auf den Place du Ctre strahlt uns die warme Sonne aufs Haupt, so lässt es sich aushalten. Unten auf der Straße und in den angrenzenden Souks erwacht ganz langsam die Stadt und wir können dieses Treiben aus erhabener Position beobachten.

Nach dem Frühstück geht es in die Souks. Am Eingang sieht das schon alles sehr geschäftig aus, aber hier kommt halt auch die Laufkundschaft von der Hauptstraße. Nur etwas weiter herrscht gähnende Leere.

Im Orient kommt der Verkauf vormittags einfach nicht so richtig in die Gänge, es sei denn, man muss Waren bunkern, die ab Mittag bis in den späten Abend an die Frau und den Mann gebracht werden sollen.

Wenn wir schon keine Waren zu sehen bekommen, können wir wenigstens ungestört ein paar Fotoaufnahmen machen, denn das Licht ist günstig und der Blick frei in alle Richtungen.

Die wenigen Straßenzüge sind allerdings rasch erlaufen, wir kehren um in Richtung große Moschee und wollen auch hier das morgendliche Licht für ein paar schöne Aufnahmen nutzen.

In einem kleinen Park unterhalb der Moschee befindet sich ein für die Stadt namengebender Fels, der steil aus dem umgebenden Häusermeer herausragt. Wir sind uns nicht ganz schlüssig, ob es erlaubt ist diesen Hausberg zu erklimmen. Auf halber Höhe sehen wir dann aber einige Halbwüchsige herumturnen, da kann das ja wohl kaum verboten sein. Von da oben hat man mit Sicherheit eine schöne Aussicht, also ist es vollkommen klar, dass Michael da hoch muss. In einem Anflug von Kühnheit will Michael schon fragen, ob Angelika mit hinauf geht. Doch deren Augen gehen schon auf halb Zwei, bevor die Frage komplett gestellt ist. Also nein, sie möchte keinesfalls diesen blöden Fels da hinauf und wartet lieber auf einer der Bänke.

Auf den Stadtfels war Michael jetzt allerdings nicht vorbereitet. Zum einen führt das rasch zu Schnappatmung, darüber hinaus trägt er Sandalen, die den Aufstieg besonders im letzten Teil etwas unangenehm machen. Aber wer sehen will, muss leiden und so werden auch kleinere Unannehmlichkeiten weggesteckt. Und tatsächlich, es lohnt sich, denn von hier aus hat man einen tollen Rundumblick über den größten Teil der Stadt, und weil Michael neben seinem überdimensionierten Ranzen auch noch die komplette Fotoausrüstung mit nach oben geschleppt hat, lassen sich das Häusermeer und die grünen, bewaldeten Berghänge in sämtlichen Formaten wunderbar abbilden.

Der Abstieg geht dann noch einmal voll auf die Gelenke, aber das darf man nicht zeigen, sonst gibt es bei nächster Gelegenheit noch mehr Diskussionen über den Sinn solcher kleinen Exkursionen.

Auf unserem Weg zurück in die Stadt kommen wir an einem kleinen Kulturzentrum (Centre Culturel d'Azrou) vorbei. Wir sind ein wenig unschlüssig, was darin wohl zu sehen sein würde. Als wir die Lobby betreten, werden wir von den Angestellten sehr freundlichen begrüßt. Fotografieren dürfen wir leider nicht, erhalten aber eine kostenlose Führung mit vielen interessanten Informationen über Land und Leute, Geografie und Geologie. Das Kulturzentrum beherbergt außerdem eine ethnografische Dauerausstellung. Auf großformatigen Fotos sehen wir auch einige schöne Landstriche, die wir heute noch besichtigen können.

Schließlich geht es zurück in unser Fahrzeug und ab in die Berge. Wie gestern schon folgen wir der N 13 auf der wir heute etwas weiter nach Süden vorstoßen wollen. Da wir ohnehin wieder durch den Affenwald fahren, machen wir natürlich auch einen Zwischenstopp bei den Berberaffen.

Diesmal geht es direkt an die südliche Waldgrenze, wo wir gestern die größte Affenkolonie angetroffen haben.

Am späten Morgen ist noch wenig Betrieb, die Biester sind deshalb noch nicht gesättigt und zeigen wenig Scheu. Die ganze Zeit flitzen sie zwischen den wenigen Besuchern hin und her und versuchen Bananen, Nüsse und Granatäpfel zu ergattern. 

Sobald einer der Affen erfolgreich war, sucht er das Weite, um seine Beute nicht von einem der dominanten Tiere gleich wieder abgejagt zu bekommen. Bis in die höchsten Wipfel der mächtigen Zedern müssen manche flüchten, ehe sie in Ruhe fressen können.

Trotz aller ruppigen Momente können die Herrschaften auch liebevoll miteinander umgehen.

Manchmal hat man auch den Eindruck, es fänden Strategiegespräche.

Fressen tut dann doch jeder für sich.

Weiter geht es in Richtung Midelt, das wir heute allerdings nicht erreichen werden. Obwohl wir nur wenige Kilometer von Azrou entfernt sind, herrscht hier oben gähnende Leere. So weit man auch blickt, kein Haus weit und breit, überall nur niederer Bewuchs.

Einsames "Gehöft" an einer Nebenstraße der N13.

Wenn überhaupt einmal Bäume auftauchen, dann sind das kleinste Gruppen, die sich um Bergkuppen scharen, die wenige Zehnermeter über die Hochtäler ragen.

Zwischen dürren Gräsern, Sträuchern und niederen Bäumen überall verwitterter Fels.

Entlang der Nebenstraßen sind Markierungsstangen gesetzt, die anzeigen, dass es hier im Winter gelegentlich so heftig schneit, dass die Fahrbahn völlig unter der weißen Pracht verschwindet.

So schön die Landschaft hier oben auch sein mag, für die einheimische Bevölkerung ist es ein recht mühsames Unterfangen in ihren zugigen Behausungen über die Runden zu kommen.

An Landwirtschaft ist hier nicht mehr zu denken, alles Wirtschaften dreht sich irgendwie um Schafe und Ziegen, um deren Milch und Fleisch, um Wolle und Felle. Und dabei ist an eine intensive Bewirtschaftung noch nicht einmal zu denken, denn eine große Herde würde dem spärlichen Bewuchs schnell den Garaus machen. Alles, was man ansonsten hier oben benötigt, muss gegen diese wenigen Produkte eingetauscht werden.

 

Immer weiter stoßen wir nach Süden vor. Wenn wir einige Tage Zeit hätten, könnte man das Fahrzeug hier oben einmal stehen lassen und abseits der Straße in Richtung einer der Kuppen wandern, um von dort aus die Aussicht zu genießen. Doch wir ziehen es vor lieber noch ein wenig Strecke zu machen, um uns Appetit für eine weitere Reise zu holen, bei der wir das Versäumte dann ggf. nachholen können.

Etwa 70 km vor Midelt biegen wir auf eine Nebenstraße nach Westen ab. Weit geht der Blick in Richtung unseres Fahrweges. Das Sträßchen steigt beständig an, wir bewegen uns auf etwa 1800 bis 1900 m und wieder sind Markierungsstangen gesetzt. In gebührendem Abstand zur Straße spartanische Behausungen, bei deren Anblick man schon zu frösteln beginnt. Wie die Leute das nur aushalten, die sind echt hart im Nehmen. Den Straßenrand flankieren kleine Bäche, die vermutlich am Fuß der Bergkette weit hinten am Horizont entspringen. Hinter einem Pass taucht ein grünes Tälchen auf, eine Überlandleitung zeigt, dass auch in dieser Einöde bereits die Moderne Einzug gehalten hat. Man braucht halt nur das nötige Kleingeld, um sich diesen Luxus leisten zu können.

Der Tag ist nun schon weit fortgeschritten, gerne wären wir noch einige Stunden durch diese beeindruckende Landschaft gefahren, aber morgen geht es weiter nach Fes, wir müssen heute noch die Koffer packen, um morgen frühzeitig starten zu können. Also geht es auf direkten Weg zurück nach Azrou. Dort kehren wir ein drittes Mal im Café Bilal ein, um eine Berber Tajine zu verspeisen. Danach geht es ins Hotel. Auch dieser Tag endet mit einem herrlichen Sonnenuntergang, wir hatten jetzt seit Marrakesch nur noch Sonne satt von morgens bis abends, da können wir uns wirklich nicht mehr beklagen.

Auch wenn die Landschaft suggeriert, man sei hier unweit des Endes der Welt, bildet die N13 doch eine der wichtigsten Verbindungen in Richtung Südostmarokko und gerade die Fernfahrer haben es immer eilig. Insofern muss man auch an diesen abgelegenen Orten mit Radarkontrollen rechnen. Wie man der Unmutsäußerung entnehmen kann, sind diese Kontrollen auch in Marokko alles andere als beliebt.