Sa., 27.10.2018, Meknes, 0 km
Unser Hotel befindet sich ca. 6 km östlich des prächtigen Stadttores Bab Mansour. Eigentlich keine Entfernung für ein Taxi, aber in den Hauptverkehrszeiten bedeutet das mindestens 4 km eine einzige stinkende Blechlawine.
Auch heute starten wir wieder einen Versuch, mit dem Bus in die Medina zu kommen. Die Wartezeit verkürzen wir, indem wir uns ein wenig in den Vorgärten der umliegenden Häuser umsehen.
Immer wieder interessant sind auch Verkehrsmittel, die das Straßenbild Europas kaum mehr prägen.
Wieder sind die Busse proppenvoll, also heißt es erneut ein Petit Taxi anzuhalten und sich durch dichten Verkehr in Richtung Medina zu quälen.
Für die Souks haben wir allerdings den falschen Rhythmus, die liegen noch im Tiefschlaf. Hier fängt nicht der frühe Vogel den Wurm, also können wir nur ein paar Fotos machen, das Bab Mansour mal bei Tageslicht in Augenschein nehmen, um dann zu überlegen, wie wir den Tag weiter sinnvoll nutzen.
Die ganze Zeit mit dem Taxi von Punkt zu Punkt zu fahren halten wir nicht für sinnvoll, weil man dann von der Stadt wenig mitbekommt. Also überlegen wir uns die Ruine der ehemaligen königlichen Stallungen, auch als Royal Stables oder Heri es-Souani bezeichnet zu besuchen. Einen Stadtplan haben wir im Hotel erhalten, der ist zwar recht spartanisch ausgeführt, prinzipiell ist aber erkennbar, wohin die Reise gehen müsste und so marschieren wir los. Die Orientierung läuft wieder einmal nur über breite Straßen, markante Bauwerke oder Moscheen, der miesen Straßenbeschilderung kann man nichts entnehmen und hält man den Einheimischen den Plan hin und fragt nach dem Ziel, schauen die einen nur überfordert an oder wollen gleich wieder Geld.
Um doch noch zeitnah ans Ziel zu kommen, steigen wir am Ende erneut ins Taxi und sind ruckzuck vor Ort. Wir waren gar nicht weit weg.
Die äußere Begrenzung des Bauwerks liegt hinter einem etwas größeren Wasserbecken und man erkennt schon von weitem die massive Ausführung und die gewaltige Dimension. Mehr als 10.000 Pferde und die dazugehörigen Mannschaften sollen hier untergebracht gewesen sein. Ver- und Entsorgung dürften ganz schön aufwändig gewesen sein und gestunken haben muss es auch ziemlich heftig. Heute ist nur noch eine zum Teil überdachte Ruine erhalten, die wegen unzureichender Renovierungsarbeiten in Teilen auch noch gesperrt ist.
Als wir aus dem Taxi aussteigen, fängt es an zu tröpfeln. Wir haben noch ein ganz schönes Stück zu laufen, spannen unsere Regenschirme auf, beschleunigen den Schritt, machen noch schnell ein paar Fotos und stehen vor dem unscheinbaren Eingang des Gebäudes.
Schnell ins Trockene und unseren Bonus entrichten, dann ab in die Ruine. Was uns nun allerdings sehr ärgert ist, dass Einheimische 10 MDH zahlen, während Ausländer 70 MDH berappen müssen. Jetzt könnte man argumentieren, dass die Ausländer ja meist deutlich mehr Geld haben. Trotzdem würde Michael gerne mal sehen, was reiche Marokkaner, Saudis, Norweger oder Schweizer sagen würden, wenn wir ihnen den siebenfachen Eintrittspreis eines Einheimischen abverlangen. Da wär das Geschrei groß. Diese Vorgehensweise findet man übrigens inzwischen bei vielen historischen Gebäuden in Marokko, was uns tatsächlich veranlasst hat, jedes Mal genau zu überlegen, ob es sich lohnen könnte. Solches Raubrittertum lässt sich nur eindämmen, wenn man den Abzockern die rote Karte zeigt.
Durch zunächst noch geschlossene Räume geht es durch einen langgezogenen Gang zu den eigentlichen Stallungen.
Die Ruine besteht aus massivem Ziegelmauerwerk, an dem vielfach der Putz bröckelt. Der hintere Teil ist gesperrt. Hier reichen die finanziellen Mittel offenbar nicht aus, um eine sichere Begehung zu gewährleisten. Auf Erdhügeln und herunter gefallenem Mauerwerk bahnen sich wild wuchernde Pflanzen ihren Weg. Wo sie genügend Halt finden, ergreifen Sie auch auf den Deckflächen der steinernen Bögen und an deren teil verwitterten Flanken Besitz und lösen mit ihrem Wurzelwerk den Gesteinsverbund.
Ein Gehölz leistet ganze Arbeit. Wenn dem nicht bald Einheit geboten wird, dürfte der steinerne Bogen in absehbarer Zeit den Weg alles Irdischen antreten.
Und mit dem Wetter haben wir auch noch Glück. Sah es eben noch so aus, als wollte der Himmel sich einregnen, haben wir nun eine Mischung aus ganz leichten Schauern, zwischen denen die Sonne durchbricht und die Ruine mit einem schönen Wechsellicht überzieht, das immer wieder stimmungsvolle Bilder erzeugt.
Von den Stallungen aus haben wir uns dann wieder zu Fuß in Richtung der von uns vermuteten Medina aufgemacht und mithilfe eines Wachpostens am königlichen Golfplatz kamen wir völlig überraschend tatsächlich am Hauptplatz der Medina raus. Fußläufig war das gar kein Problem, wir hätten auf dem Hinweg einfach nur ein oder zwei Einheimische gebraucht, die mal, ohne die Hand aufzuhalten, eine ordentliche Auskunft erteilt hätten.
Trockenen Fußes am Bab Mansour angekommen, wollen wir uns nun eigentlich in aller Ruhe die Souks ansehen, die wir auch noch erreichen. Aber schon setzt wieder Niederschlag ein und wir ziehen uns erst einmal in die überdachten Verkaufsstände zurück.
Nachdem wir uns eine viertel Stunde durch die engen Gänge gedrückt haben, wollen wir unser Glück auf der Straße versuchen. Aber nun fällt plötzlich ein richtig heftiger Niederschlag. Auf dem El Hedim Platz und in den angrenzenden, abschüssigen Straßen sammelt sich reichlich Wasser, hastig decken die Händler mit großen Planen ihre Auslagen ab und haben anschließend alle Hände voll zu tun, das Wasser davon abzuhalten, von der Straße in ihre Verkaufsräume vorzudringen. Die aufgeschreckte Kundschaft sammelt sich vor Eingängen zu den voll überdachten Souks und es kommt zu Gedränge und Stau. Keiner kommt mehr ohne aufgeregtes Geschnatter und hemdsärmeliges Geschubse rein oder raus und es gibt ein heftiges Gedrängel. Wir platzieren uns unmittelbar neben dem Mauerwerk, um dem etwas auszuweichen. Nach 10 Minuten endet der Starkniederschlag und wir können endlich der feuchte geschwängerten, stickigen Luft entfliehen und wieder frei durchatmen.
Zwischen den Verkaufsständen ist allerdings weiterhin Zickzack-Kurs angesagt, denn eine braune Brühe bewegt sich, je nach Gefälle, mal auf die linke, mal auf die rechte Straßenseite und zwängt die zwischen den Verkaufsständen laufenden potenziellen Käufer auf einem engen Raum zusammen. Für den Bewegungsdrang der Marokkaner ist das wieder einmal eine harte Prüfung, denn man kommt einfach nicht vorwärts. Also laufen einige ganz Eilige mitten durch das abfließende Wasser. Auch eine Möglichkeit voranzukommen.
Gerne hätten wir uns nun auf eine Dachterrasse am Rande des El Hedim Platzes, gegenüber dem Bab Mansour in ein Café gesetzt. Aber Tische und Stühle sind nass, die Terrasse ungemütlich und verwaist, also laufen wir aus der lärmenden, stinkenden Altstadt heraus und lassen uns in einem Schnellrestaurant nieder.
Nachdem sich unsere Füße etwas erholt haben, laufen wir zurück zum Bab Mansour und von dort in das Judenviertel. Von jüdischem Leben und von Handel ist da aber nicht viel zu sehen. Jede Menge enge Gassen, die aus uns nicht erkennbaren Gründen überwiegend blau angestrichen sind. Ansonsten gähnende Leere. Deshalb gehen wir relativ rasch zum Place El Hedim zurück.
Endlich haben sich die Wolken verzogen, die Sonnenstrahlen nehmen die Restfeuchte auf und wir können es uns auf der Dachterrasse eines Cafés unmittelbar gegenüber dem Bab Mansour gemütlich machen und das Treiben unten auf dem Platz verfolgen.
Wie schon heute Mittag wechseln Sonne und Wolken einander ab und sorgen für ein beständig wechselndes Bild. Zwar ziehen am Horizont gelegentlich dunkle Wolkenteppiche auf, doch Sie halten genügend Abstand, um uns den Abend nicht noch zu verderben. Und so genießen wir dieses Wechselspiel bei zunehmend schwächer werdendem Licht. Schade, dass es morgen schon weitergeht, allerdings ist auch ganztägig Regen angesagt und so können wir eigentlich von Glück sagen, dass morgen Reisetag ist.
Das Bab Mansour im Abendlicht.