Anfahrt Ouzoud-Wasserfälle

Vorgebirge mittlerer Atlas

Sa., 03.11.2018, Anfahrt Ouzoud, 181 km

Am Morgen dürfen wir noch einmal die Vorzüge des All Green House genießen. Der Blick in den üppig sprießenden Garten während eines ausgedehnten Frühstücks ist einfach klasse.

Auf Empfehlung unserer südafrikanischen Tischnachbarn gehen wir nach dem Frühstück auch noch einmal auf die Dachterrasse. Der Weg führt erstaunlicherweise durch die Küche und hinterlässt leicht irritierte Blicke beim Küchenpersonal. Oben angekommen ist der Ausblick über den Garten aber noch schöner als von unserem Frühstücksplatz.

Zum Abschluss noch einen kurzen Rundgang im Garten, aber dann wird es wirklich Zeit aufzubrechen.


Nach zwei etwas anstrengenden Tagen und Nächten im All Green House setzen wir unseren Weg in Richtung des mittleren Atlas fort. Vom Hotel aus geht es 2 km nach Süden, wo wir auf die N8 treffen, der wir in östliche Richtung folgen. Nach knapp 20 Kilometern Strecke wendet sich die N8 kurz hinter dem Flüsschen Oued Zat nach Nordosten. Obwohl die N8 sicherlich den besseren Straßenbelag böte, biegen wir rechts ab auf die Regionalstraße R 210 in Richtung Demnate. Sie wird uns nun näher an das Vorgebirge des mittleren Atlas und damit hoffentlich auch in eine etwas reizvollere Landschaft führen.

Leider erfüllt sich unsere Hoffnung zunächst nicht, denn die Landschaft bleibt öde und die Straße folgt einem Tälchen ohne nennenswerte Niveauunterschiede. Es gibt kaum Punkte, an denen es sich lohnen würde, einmal anzuhalten, um den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Eines haben wir allerdings erreicht: Sobald wir auf der Nebenstrecke sind, ist es mit dem Fahrstress vorbei. Der Verkehr geht sofort deutlich zurück, kaum ein Fahrzeug, das uns überholen oder gar bedrängen würde und wir können, wie wir das auf marokkanischen Landstraßen gewohnt sind, ganz gemütlich dahin cruisen. Heute machte es wieder einmal so richtig Spaß, mit dem Auto in Marokko unterwegs zu sein.

Da wir uns unterhalb der Nordwestflanke des Atlas befinden und gute Fernsicht haben, begleiten uns die bis zu 3.500 m hohen und zu dieser Jahreszeit schneebedeckten Gipfel der Berge. Immer wieder treffen wir auf betonierte Rinnen, die den Flüssen des Atlas Wasser entnehmen, um es Straßen parallel über die ganze Ebene zu verteilen und einigen wenigen Pflanzungen zuzuführen. Das reicht aber auch nur, um der Landschaft den einen oder anderen grünen Tupfer zu verpassen.

Einige Kilometer weiter scheint ein Stein auf der Straße zu liegen. Den möchten wir ungern überrollen. Als wir uns nähern, erkennen wir, dass sich der Stein bewegen kann. Das ist uns nicht ganz geheuer und weil der Seitenstreifen ausnahmsweise einmal ausreichend breit ist, halten wir an und wollen uns den Stein einmal näher ansehen. Nun zeigt sich, dass es sich um eine Schildkröte handelt, die in aller Seelenruhe die Straße passiert. Ob so ein Schildkrötenpanzer der Belastung eines PKW gewachsen ist, wissen wir nicht. Es wäre jedenfalls schade drum, also ärgern wir die Schildkröte, damit sie ihren Hintern hochbekommt und sich von dem gefährlichen Pflaster entfernt. Als wir sicher sind, dass sie nicht wieder auf den Asphalt zurückkehrt, setzen wir unseren Weg fort.

Wir erreichen Demnate, ein Provinzstädtchen, in dem wir uns mangels Beschilderung wieder einmal verheddern. 

Am Ausgang des Städtchens führt die Straße den Berg hoch, dort treffen wir auf eine größere Ansammlung von Mercedesbussen, die so Mitte der siebziger Jahre bei uns als Neuwagen herumgefahren sein dürften. So wie die aussehen, werden die mindestens 500.000 bis 1.000.000 Kilometer auf dem Buckel haben. Anfangs glauben wir noch, das sei ein Automarkt, um Teile oder komplette Exemplare dieser alten Haudegen zu verkaufen. Aber die tiefliegenden Fahrzeuge scheinen mehr als gut beladen zu sein, was uns dann doch wieder zweifeln lässt, ohne dass wir der Ursache dieser Fahrzeugkarawane wirklich auf den Grund kämen.

 

Immerhin eröffnet sich jenseits der Fahrzeugkolonne, dank der weiter ansteigenden Straße noch eine schöne Aussicht auf Demnate. Was wir nicht einmal ahnen ist, dass wir nur 4 km entfernt sind von der bei Imi `n Ifri gelegenen Naturbrücke, die Michael sich unbedingt einmal ansehen wollte. Und so wenden wir uns nach kurzer Rast wieder Demnate zu, um unseren Weg in Richtung Ouzoud fortzusetzen. Eine Stunde Internetzugang im All Green House hätte gereicht, um diesen Fehler zu vermeiden, wirklich ärgerlich.

Zwischen Demnate und Ouzoud wird die Straße endlich etwas abwechslungsreicher, schaltet mehr Kurven ein und verläuft auch nicht immer auf einer Höhe. Ein grüner Flickenteppich bedeckt die steinernen Hänge. Von weitem sieht es aus, als handle es sich um niedere Büsche. Als die Straße die grünen Teppiche durchschneidet, erkennen wir, dass es sich um niedrig wachsende Kakteen handelt, wobei die Vielzahl an Kakteensolitären diesen Ansammlungen von weitem das Aussehen eines Rasens verleiht.

Die Straße führt nun vollends in das Vorgebirge des mittleren Atlas und gewinnt, langsam, aber beständig weiter an Höhe. Dominierten gerade noch Kakteenrasen, gewinnen jetzt Büsche und Bäume zunehmend die Oberhand, was mit einem etwas höheren Niederschlagsaufkommen und besseren Böden zusammenhängen dürfte.

Auch die weißen Gipfel des Atlashauptkammes rücken nun immer näher und bilden eine beeindruckende Kulisse am Horizont. Die Sonne scheint von einem strahlend blauen Himmel und es macht richtig Spaß ganz gemütlich durch das Atlasvorland zu pflügen.

Schon kommt die Abzweigung nach Ouzoud, nun sind es nur noch 16 km bis zu unserem heutigen Tagesziel. Die abwechslungsreiche Straße führt uns dabei durch einen kleinen Canyon und als wir diesen wieder verlassen haben wir es fast geschafft.

Kurz vor dem Ziel stehen Kinder auf der Straße und wollen Feldfrüchte verkaufen. Wir haben keinen Bedarf, nähern uns langsam und wollen vorbei. Als sie aber erkennen, dass wir keine Kaufabsichten haben, reagieren sie gereizt, fast schon aggressiv, obwohl es ausschließlich Mädchen sind. Wir wissen nicht, wie wir reagieren sollen, um den Weg freizubekommen, zücken unsere Kamera und wollen ein Foto machen. Das fürchten sie offenbar wie der Teufel das Weihwasser und rennen in alle Richtungen davon.

Wenig später erreichen wir Ouzoud und schon wenige hundert Meter hinter dem Ortsschild geht es rechts ab. Die Einfahrt ist deutlich gekennzeichnet. Der Campingplatz befindet sich auf einem senkrecht zur Straße angeordneten, etwa 30 m breiten und 220 m langen Flecken Land. Der geschotterte Fahrweg steigt etwa 100 m bis zur Rezeption leicht an und fällt danach in Richtung eines breiten Tälchens wieder modert ab.

 

Obwohl wir uns gleich in diesen schnuckeligen Platz verliebt haben, stellen wir nur die Koffer ab, machen uns frisch und fahren anschließend gleich die 1,20 km hinunter in den Ort, um den Wasserfall zumindest einmal in Augenschein zu nehmen.

Kaum nähern wir uns dem Ziel tanzen schon wieder etliche Schlepper um unser Fahrzeug und nötigen uns fast auf einen der Parkplätze abzubiegen. Wir halten ebenso selbstsicher dagegen und möchten selbst bestimmen, wo wir unser Fahrzeug abstellen. Nachdem wir uns kurz orientiert haben, finden wir eine große freie Fläche wo wir den Wagen sicher abstellen können, entrichten unsere Parkgebühr und orientieren uns an einem selbst ausgedruckten Plänchen. Viel Zeit vergeht nicht, bis der erste Führer auftaucht, aber der versteht schnell, dass wir auf eigene Faust loslaufen möchten und lässt recht bald von uns ab. Wir folgen dem Flussbett, in dem sich zwischen hochgewachsenen Gräsern, Büschen und niederen Bäumen eine braune Brühe ihren Weg bahnt. Es ist wenig Betrieb, unser Weg ist nicht die kürzeste Verbindung, aber Natur ist immer kurzweiliger als Spießrutenlaufen entlang der Verkaufsstände und so sind wir ganz glücklich mit unserer Wahl.

Nach etwa 500 Metern Strecke teilt sich der Tissakht-Fluss und stürzt wenig später über die Klippe auf eine erste und danach auf eine nur wenig tiefer gelegene zweite Plattform. Von dieser stürzt das Wasser dann in einen hufeisenförmig ausgebildeten Pool. Vom oberen Rand der Klippe bis in den Pool überwindet das Wasser eine Gesamtfallhöhe von mehr als einhundert Metern. Unweit des Klippenrandes werden die beiden Flussarme von zwei stählernen Brücken überspannt, sodass man den gesamten Klippenrand an vielen Punkten erreicht, viele schöne Blicke ins Tal hat und das Treiben am Fuß des Wasserfalls gut verfolgen kann.

An der Vielzahl der Kalkzungen, die hier über weite Strecken den Steilhängen anhaften, kann man erkennen, dass das Wasser schon an vielen unterschiedlichen Punkten den Weg ins Tal genommen hat. Diese Urgewalt ist immer wieder beeindruckend. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit wollen wir uns einen Abstieg an den Fuß des Wasserfalls heute allerdings nicht mehr zumuten. Außerdem wartet unser gemütliches Quartier, das geht runter wie Öl nach den letzten beiden Nächten.