Ein Sonntag in Oświęcim
Unser Mietwagen leistete uns gute Dienste bei der Fahrt in die Hohe Tatra, in die Slowakei und zum Salzbergwerk. In Krakau steht er jetzt aber nur noch herum. Da würde es doch Sinn machen, auch noch einmal das Umland zu erkunden.
Natürlich hätten wir auch noch einmal in die Berge fahren können, aber aus guten Gründen hatten wir uns schon vor der Reise im Fall des Falles für Oświęcim entschieden und so machten wir uns bei bestem frühsommerlichem Wetter am Sonntag, dem 08.05.2019 auf den Weg.
So richtig überlegt war das nicht, denn das ist ja der Tag, an dem der 2. Weltkrieg zu Ende ging und diesem Tag wird anders als in Deutschland in vielen Teilen Europas und natürlich auch in Polen eine besondere Bedeutung beigemessen.
Wir dachten in erster Linie an die leeren Straßen, da würde die Fahrt doch etwas angenehmer sein, denn im Ausland ist man nie so vertraut mit allen Regeln und Besonderheiten und da tut man sich mit weniger Verkehr immer etwas leichter.
Tatsächlich kommen wir unterwegs auch an einem Ehrenmal vorbei, an dem sich offenbar ein ganzes Dorf versammelt hat, um des Kriegsendes zu gedenken. Ein hoher Würdenträger mit weiß roter Schärpe über den Schultern scheint etwas vorzutragen, dem die Zuhörerschaft aufmerksam folgt. Und weil dieser Ort abseits einer Siedlung liegt, ringsherum außer zirpenden Grillen und singenden Vögeln kein Laut zu hören ist und die Straße uns unmittelbar an der Gedenkstätte vorbeiführt, fallen wir fast schon unangenehm auf. Doch wie im Flug passieren wir den Ort des Gedenkens und nähern uns Oświęcim. Unser Navi führt uns unmittelbar vor dem Ziel noch zweimal in die Irre, aber dann haben wir es endlich geschafft.
Was ist nun eigentlich so besonders an diesem nichtssagenden Ort namens Oświęcim, dass wir ausgerechnet hier hingefahren sind? Nun, man muss es eigentlich nur ins Deutsche übersetzen, dann heißt es Auschwitz und dann bedarf es weltweit keiner weiteren Erklärung.
Keine Ahnung, ob man Deutscher sein muss, um es surreal zu finden, dass in Krakau ein Ausflug nach Auschwitz beworben wird wie eine Kaffeefahrt. Wir fanden das jedenfalls gewöhnungsbedürftig.
Bei unserer Blauäugigkeit hätte es sein können, dass alle Führungen an diesem Tag ausgebucht gewesen wären und wir unverrichteter Dinge wieder hätten abziehen müssen. Zum Glück ist die Gedenkstätte dann aber doch nicht so überlaufen, wie man hätte befürchten können.
Wir müssen uns erst einmal orientieren, wie und wo man hier zu Tickets kommt und sehen an einer Schautafel, dass erst um 13:30 Uhr eine Führung in Deutsch angeboten wird. Da haben wir ja noch reichlich Zeit.
Also besorgen wir uns die Tickets zu 12 € pro Person und vertreten uns noch etwas die Beine vor dem Eingang. Gelegenheit, den Fotoapparat zu zücken, um ein paar Bilder von den Außenanlagen zu machen. Das ist so lange kein Problem, wie wir uns vom unmittelbaren Zugang zur Gedenkstätte fernhalten. Dort ist das Fotografieren aus naheliegenden Gründen verboten. Schließlich gibt es genügend interessierte Kreise, die hier gerne Schlagzeilen machen möchten.
Weniger schön findet Michael, dass er seinen Fotorucksack abgeben muss. Man hätte den Rucksack ja auch filzen können, aber man wird wohl auch in diesem Fall aus guten Gründen so verfahren und das sollte man dann auch einsehen.
Gegen 13:00 Uhr nähern wir uns dem Eingangsbereich, an dem sich auch andere Besuchergruppen versammelt haben und werden schließlich von einer polnischen Fremdenführerin, die sehr gut Deutsch spricht, abgeholt.
Dann geht es in eine Art Schleuse, wo wir noch einmal etwas Geduld benötigen. Wir erhalten einen Kopfhörer, über den uns unsere Fremdenführerin erreichen kann. Wie wir später noch sehen werden ist der insbesondere in engen Räumlichkeiten von Vorteil, weil wir dort nicht alle in unmittelbarer Nähe der Vortragenden Platz finden, dennoch aber ihre Erläuterungen mitbekommen können.
Dann ist es endlich geschafft. Wir verlassen das Gebäude und versammeln uns vor einer Schautafel, um erste Erläuterungen zum Lager zu erhalten und die Funktionstüchtigkeit der Kopfhörer noch einmal zu überprüfen.
Die gute Frau hat es nicht leicht. Sie soll jetzt einer Gruppe von etwa 30 wohlgenährten, mit temperaturoptimierter Kleidung ausgestatteten Leuten erklären, wie es Menschen hier ergangen ist, die zu keinem Zeitpunkt ausreichend ernährt waren, in mehr oder weniger zerlumpter Kleidung größter Hitze und Kälte trotzen mussten, dabei aufs Übelste schikaniert wurden und ständig den Tod vor Augen hatten.
Dazu muss man bedenken, dass sie diese Informationen ja schon Hunderten von Gruppen vorgetragen hat. Man könnte also erwarten, dass sie ihren Text ein wenig wie ein Roboter heruntergeleiert. Aber nichts dergleichen hören wir. Sie ist trotz dieser vielen Wiederholungen in der Lage, die Informationen zum Leben im Lager mit einer angemessenen Würde vorzutragen. Das ist beeindruckend.
Das 192 Hektar große Gelände umfasst das ehemalige Hauptlager Auschwitz und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mit insgesamt etwa 150 Gebäuden und rund 300 Ruinen.
Dann geht es unter dem eisernen Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“, das jeder irgendwo aus dem Schulunterricht kennt in Richtung der Baracken.