Donnerstag, 14.11.2024
Die schönsten Dörfer Spaniens (Los Pueblos Más Bonitos de España)
Für heute ist in Gibraltar reichlich Regen angesagt, und so verlassen wir Britannien etwas früher als geplant. Heute Morgen ist der Himmel wolkenverhangen, aber noch regnet es nicht. Zunächst geht es auf die A-383, dann weiter zur A-7 in Richtung Manilva und zuletzt ein kurzes Stück auf der mautpflichtigen AP-7 bis zur Abfahrt auf die Landstraße A-377. Ein kleiner Fahrfehler bringt uns zwischenzeitlich noch einmal kurz an die Küste und verschafft uns einige Ausblicke auf das Mittelmeer. Ein kräftiger Wind peitscht das Meer auf und die Wellen wirbeln den Sand ordentlich durch, sodass das grünblaue Wasser in Strandnähe gelborange erscheint.
Kaum haben wir die AP 7 verlassen, setzt
kräftiger Regen ein und mit zunehmender Höhe wird es immer nebliger. Schnell breitet sich eine richtige Weltuntergangsstimmung aus. Wir sehen fast nichts mehr, nur am Navi können wir erkennen,
dass wir eigentlich gleich da sein müssen. Mit 30 km/h schleichen wir den Berg hoch, dann taucht wie aus dem Nichts die Abfahrt nach Casares auf. Es folgt ein erster Parkplatz, der jedoch einer
Firma zuzuordnen ist und dann stehen wir tatsächlich vor einem Stellplatz und nun wird es auch wieder ein wenig heller.
Casares, unser erstes weißes Dorf (Quelle: OpenStreetMap, Lizenz CC-BY-SA 2.0).
Zwei deutsche Fahrzeuge stehen bereits auf dem Platz, ein weiteres kommt später noch hinzu, also es gibt genügend Raum, um sich hier aufzustellen. Angelika steigt beim Einparken mal kurz raus, um zu schauen, dass wir nirgendwo anstoßen und ist danach schon ordentlich nass. Uns bleibt erst einmal nichts übrig, als das Unwetter vorüberziehen zu lassen und auf Besserung zu hoffen.
Die Stellplatzfläche ist ein wenig schräg, mit Keilen ist die Schräge aber auszugleichen. Einen Trinkwasseranschluss haben
wir nicht gefunden. Grauwasser kann entsorgt werden. Bei der Schwarzwasserentsorgung waren wir unsicher und haben deshalb nicht entleert. Da die VE in der Vergangenheit nicht immer
gewährleistet war, empfehlen wir, mit einem autarken Fahrzeug anzureisen. Für die Besichtigung benötigt man nicht mehr als einen Tag und Ronda bzw. Arriate sind so nah, dass man dort am folgenden
Tag die VE besorgen kann.
Unmittelbar neben dem Stellplatz befindet sich ein kleines Besucherzentrum, das aktuell aber geschlossen ist.
Wir müssen uns bis 13:00 Uhr gedulden, dann setzen längere Regenpausen ein und wir trauen uns vor die Tür. Es reicht für ein wenig Small Talk mit den Campernachbarn, die uns Informationen zum Ort und der Zuwegung geben. Hinter dem Besucherzentrum führt eine Treppe auf einen Hügel zu einer Aussichtsplattform am Mirador Puerto de Ronda bzw. Mirador ornitológico. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf die Umgebung. Da muss Michael natürlich gleich mal mit der Kamera hinaufgehen.
Oben angekommen werden die ersten Fotos noch ziemlich bescheiden, aber dann hat der Himmel ein Einsehen und gönnt ihm eine Prise Sonne. Da sieht alles doch gleich viel freundlicher aus. Schon seit unserer Ankunft kreisen zahlreiche Geier über uns, einige passieren den Mirador Puerto de Ronda im Tiefflug und verschwinden dann hinter dem verlängerten Bergrücken im Nirgendwo. Das ist nicht schön. Zum Glück sieht Michael jenseits des Aussichtspunktes einen schmalen Pfad und folgt diesem, um weiter oben vielleicht mehr erkennen zu können. Mit der Kamera um den Hals ist der Pfad nicht leicht zu begehen. Zwischen kratzbürstigen, nassen Sträuchern muss man aufpassen, wo man seinen Fuß hinsetzt, denn die kavernöse Verwitterung des Kalksteins erzeugt enge Hohlräume, in denen man mit dem Fuß schon einmal stecken bleiben kann.
Für die Kraxelei wird Michael oben auf dem Kamm ordentlich belohnt. Denn dort hat er einen wunderbaren Ausblick auf den gegenüberliegenden Fels, der auf der Westseite des Ortes mit einer mächtigen Steilwand ins Tal abfällt. Im Oberdorf reicht die Bebauung beinahe bis an die Steilwand heran. Aus der Ferne können wir nicht beurteilen, ob sich ein Besuch lohnt, aber die Lage oberhalb der Steilwand macht schon was her.
Am höchsten Punkt des Felsens schaut die Spitze des Kirchturms gerade noch so hinter allerlei Gebäuden hervor. Rechts davon befindet sich der Friedhof, den wir später noch sehen werden. Michael hat erst einmal nur den Blick für das Monumentale, aber dann macht er eine überraschende Entdeckung.
In der Steilwand unterhalb des Friedhofs hat sich eine Kolonie von Geiern eingenistet. So richtig bequem sieht das für die Vögel nicht aus, aber die sind ja in erster Linie an einer sicheren Heimstatt und an einem ordentlichen Start- und Landeplatz interessiert und dieser Ort hier dürfte die wichtigsten Bedürfnisse befriedigen.
Die Vögel sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen, weil ihr Federkleid sich kaum vom Fels abhebt. Nur die Kotspuren und einige an- und abfliegende Vögel verraten die kleine Kolonie. Mit dem Teleobjektiv ergeben sich dann aber doch ganz schöne Einblicke.
Hier haben zwei Vögel einen schönen Unterschlupf gefunden, der sie vor Regen schützt.
Mit 200 mm Brennweite ist Michael nicht gerade üppig ausgerüstet, aber die Vögel kommen manchmal nahe genug heran, sodass dann doch einige Schnappschüsse gelingen.
Vor lauter Geiern vergisst Michael wieder einmal vollkommen die Zeit und lässt Angelika unten am Wohnmobil ordentlich brummen. Irgendwann fällt ihm siedend heiß ein, dass wir ja auch noch in den Ort wollten. Jetzt aber schnell runter zum Wohnmobil. Casares gehört der spanischen Vereinigung Los Pueblos Más Bonitos de España (deutsch: Die schönsten Dörfer Spaniens). Diese wurde 2010 zu dem Zweck gegründet, das kulturelle Erbe der dünn besiedelten und wenig industrialisierten Regionen Spaniens zu fördern und zu verbreiten. Welche Bedingungen da genau erfüllt sein müssen, um diesem Klub anzugehören, ist uns nicht bekannt. Sicher ist aber, dass sich in aller Regel ein Besuch in einem solchen Dorf lohnt. In den Bergen Andalusiens gibt es eine ganze Reihe dieser Dörfer und wir werden uns nun nacheinander Casares, Ronda und Setenil del las Bodegas ansehen.
Der Stellplatz in Casares liegt etwas außerhalb gegenüber des Dorfes und ist von diesem durch ein Tälchen
getrennt. Will man in den Ort, muss man dieses Tälchen durchqueren. Dazu gibt es einen etwas längeren und bequemeren Zugang entlang der Straße oder einen kürzeren Weg mit ordentlich Gefälle, der
die Waden aber gut trainiert. Wir entscheiden uns auf dem Hinweg für die kürzere Strecke und schonen unsere Waden auf dem Heimweg.
Wer in Casares Atemberaubendes erwartet, der wird enttäuscht werden. Für Michael hat sich die Anfahrt schon wegen der Geierkolonie gelohnt. Alles, was darüber hinaus noch kommt, ist Sahnehäubchen. Ob Geierkolonie oder der Ort selbst, wer hier etwas sehen möchte, der sollte einigermaßen gut zu Fuß sein, denn eines haben die meisten Pueblos más bonitos gemeinsam. Es geht vielfach durch enge Gassen immer munter rauf und runter. Michael bevorzugt Gassen, in die wenigstens einige Treppenstufen eingebaut sind, denn die Spanier fahren ansonsten mit Kleinstfahrzeugen in jeden Winkel des Ortes.
Wer die vertikalen Mühen auf sich nimmt, der wird belohnt mit einem gemütlichen, meist sehr sauberem, blumengeschmücktem Ort, mit verwinkelten Gassen, immer neuen, überraschenden Ein- und Ausblicken und mit dem einen oder anderen Café oder Tante-Emma-Laden. In solchen Orten verläuft das Leben in ruhigen Bahnen und die Leute sind freundlich, weil sie nicht vom Overtourism überrollt werden. Und weil die Orte oft auch recht abgelegen sind, bieten sie den Wohnmobilreisenden vielfach auch kostenlose Stellplätze an, in der Hoffnung, sie werden den einen oder anderen Euro in der Stadt lassen und die einheimische Kasse ein wenig klingeln lassen.
Ein wirklich schönes Stadtbild auf Fliesen verewigt.
Hier monotone weiße Wände in Ziegelmauerwerk verpackt, das der Monotonie einen schönen Rahmen verleiht. In Verbindung mit der Bepflanzung und den bunten Farbtupfern der Keramikblumentöpfe ein gelungenes Ensemble, das die Augen des Flaneurs erfreut.
Auch wenn es nur grün ist und die bunten Blüten sich längst dem Winter ergeben haben, erzeugt es doch gleich ein ganz anderes Bild.
Links bzw. oben das Denkmal eines verdienten Bürgers des Ortes, vielleicht sogar der ganzen Region. Rechts bzw. unten wieder eine der schönen, mit Naturbruchsteinen ausgekleideten Gassen, dazu noch unbefahrbar.
An der Kirche haben wir einen der höchsten Punkte des Ortes erklommen.
Der Friedhof mit reichlich Blumenschmuck. Von hier aus geht es nun zurück in die Unterstadt und von dort auf die A-7150, die nördlich des Ortes einen weiten Bogen beschreibt und uns schließlich zum Stellplatz zurückbringt.
Blick von der A-7150 in Richtung Süden. Rechts oben liegt der Stellplatz.
Entlang der Straße ist schon deutlich mehr Verkehr als auf unserem Hinweg, aber es läuft sich um einiges bequemer, weil wir die steilen Anstiege vermeiden können. Und an die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern wurde ja auch gedacht, wie man sieht. Die Nacht verbringen wir auf dem kostenlosen Stellplatz im Ort und fahren am folgenden Morgen weiter nach Ronda.